Kapitel 11


Dylan hielt nach der Reporterin Ausschau, als er die Frau seines Head Coach Philippe Danton auf die Tanzfläche begleitete, deren Mann sich geweigert hatte das Tanzbein zu schwingen mit einem Verweis auf sein lädiertes Knie, das ihm immer nur bei solchen Veranstaltungen Probleme zu machen schien.
„Grämen Sie sich nicht, Dylan. Sie müssen es nur einen Tanz lang mit mir aushalten“, schmunzelte Denise Danton, als er eine Hand auf ihren Rücken legte. Mit ihrer festbetonierten Frisur und dem glatt gezogenen Gesicht war die Frau seines Head Coach wahrlich keine Schönheit mehr. Sie hätte mit den Schönheits- OPs aufhören sollen, als ihre Nase noch halbwegs natürlich aussah.
„Sagen Sie bloß, Sie möchten vor mir flüchten, Denise?“
Sie gab ihm einen Knuff gegen die Schulter. „Ich seh‘ doch, dass Sie abgelenkt sind.“
„Verzeihung. Kommt nicht wieder vor.“ Dylan zwang sich seine Suche nach der kleinen Reporterin einzustellen, während er Denise Haarspray einatmete. Der seidige Stoff ihres türkisfarbenen Kleides fing das Licht der Kronleuchter ein, während sie ihren dünnen Körper an ihn lehnte.

 

°°°

Grace beobachtete die tanzwütige Meute, die sich, nachdem sie ausreichend Champagner geschlürft hatte, dem Scheck schreiben widmete und dem Smalltalk. Ed tanzte schon den dritten Tanz hintereinander mit einer der Cheerleaderinnen der Wolves, deren Aufmerksamkeit er mit ein paar gut gesetzten Pointen und seinem Talent fürs Geschichten erzählen für sich gewonnen hatte. Seine Schwärmerei für Therese hatte er offenbar überwunden.
„Und Grace, haben Sie schon ein paar Berühmtheiten in Hollywood interviewt?“
Sie führte ihre Champagnerflöte zum Mund. „Niemand spektakulären. Entschuldigen Sie mich für einen Moment? Ich habe gerade einen alten Bekannten gesehen“, ergriff Grace die Chance vor dem drohenden, sie in Langeweile zu erstickenden Gespräch, zu flüchten.
„Natürlich.“
Sie schenkte der Dame gegenüber ein gewinnendes Lächeln. „Danke. Entschuldigen Sie noch einmal.“
Grace nutzte die Gelegenheit der Flucht vor ihren Tischnachbarn, um sich ein paar Verantwortlichen der Wolves höflich für die Einladung zu bedanken, allen voran bei Eric Hayden, ihrem Besitzer. Eric jagte ihr keine Angstschauer über den Rücken. Er war nur einen knappen Kopf größer als sie selbst, mit haselnussbraunen Augen und einem sympathischen Gesicht. Seinem dunklen Haar sah man seinen teuren Haarschnitt an und sein Kleidungsstil war ebenso tadellos wie seine Manieren. Alles in allem bildete er einen krassen Gegensatz zu seinen Spielern und sie entspannte sich zunehmend in seiner Gegenwart.
Wenn die Männer in ihrer Gegenwart ihr körperlich nicht allzu überlegen waren, funktionierte sie bestens und Dylan Nite war zum Glück nirgendwo zu sehen.
„Hätten Sie Lust zu tanzen, Grace?“, fragte Eric, nachdem er einen flüchtigen Blick auf ihren unberingten Finger geworfen hatte.
Grace erschien es unhöflich abzulehnen, außerdem bestand die Alternative darin allein zurück an ihren höchst langweiligen Tisch zu kehren, weil Ed, der kleine, miese Verräter im Höschen der Cheerleaderin landen wollte. „Gern.“
Eric bot ihr den Arm und sie nahm ihn an, nachdem sie ihr Glas weggestellt hatte.

 

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Dylan konnte nicht fassen, was er da sah. Dieses kleine Biest machte sich an seinen Boss heran. Kein Wunder, dass sie eine ganze Serie von Interviews über sich ergehen lassen mussten. Das hatte überhaupt nichts mit ihm zu tun.
Er umfasste Denise Hand etwas fester. Das Grace sich nicht schämte.
„Ouch. Dylan.“ Denise gab ein Keuchen von sich. „Sie zerquetschen meine Hand.“
„Verzeihung.“ Dylan öffnete seinen Griff. „Keine Absicht.“
Grace räkelte sich im Takt der Musik und warf seinem Boss einen aufreizenden Blick zu, an dem es absolut nichts falsch zu verstehen gab. Sie hielt sich wohl für clever. Ihm hatte sie das schüchterne Ding vorgespielt und bei Eric packte sie die Sexbombe aus, die sie war.
Er knirschte mit den Zähnen. Und er war auch noch auf diese Schauspielerei reingefallen, leichtgläubig wie er war. Er hätte sie bei dem Interview einfach auflaufen lassen sollen. Aber leider konnte er das nun nicht mehr.
Eric war einer der begehrtesten Junggesellen Philadelphias. Reich, Anfang dreißig und gebildet. Sicherlich würde er kapieren, dass Grace Interesse an ihm nur reine Berechnung war.
Anstatt Denise nach dem nächsten Lied allein zu lassen, beschloss er noch ein wenig auf der Tanzfläche zu bleiben und sich Graces Treiben genauer anzusehen. Nur um sicher zu gehen.
Die Frau seines Trainers nahm es mit einem amüsierten Lächeln hin, weiter von ihm über die Tanzfläche geschubst zu werden, dichter an Grace und Eric.

 

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Zu Graces Entsetzen hatte sie ihn zu spät entdeckt. Eine ältere Dame in den Fingern, tanzte Dylan Nite nur ein paar Meter von ihr entfernt auf der gut gefüllten Tanzfläche.
Sie schmiegte sich etwas näher an den harmlosen Eric, von dem sie hoffte, er würde sie vor Dylans Eisaugen abschirmen.
„Sie tanzen gut, Grace.“ Eric lächelte ihr freundlich zu, aber das vermochte sie kaum zu beruhigen. Dylans bloße Präsenz ließ ihr Herz unruhig in ihrer Brust poltern und das hatte absolut nichts mit romantischen Gefühlen zu tun.
„Sie auch“, antwortete sie Eric und ließ sich um ihre eigene Achse drehen. Als sie das nächste Mal in die Richtung blickte an der Dylan getanzt hatte, klaffte dort ein Loch. Sie blinzelte. Dylan war doch gerade noch da gewesen.
„Mhmt, Boss? Würden Sie vielleicht mal erlauben?“
Graces Inneres gefror, als sie Dylans finstere Stimme hinter sich erklingen hörte.
„Nite. Ähm … sicher.“ Eric ließ sie einfach los. „Misses Danton. Dürfte ich bitten?“
Grace wagte nicht sich umzudrehen. Ihre Füße zitterten, ebenso wie ihre Hände. Dylan Nite hatte sie gefunden.

 

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„Schmollen Sie mit mir Grace, oder habe ich Sie nur bei Ihrer Jagd nach Mr. Perfect gestört?“, wollte er spöttisch wissen und griff nach ihrem Handgelenk. Er zog sie etwas gröber als nötig zu sich herum, nur um in Graces aufgerissene Augen zu starren.
Sie atmete zitternd aus. Ihr Gesicht zu einer Fratze purer Panik verzerrt.
„Lassen Sie mich los.“
Dylan packte sie aus dem Reflex heraus noch etwas fester bei der Hand, um zu verhindern, dass sie eventuell mit dem Boden Bekanntschaft schloss. „Nein. Ich denke nicht.“
Graces stand stocksteif da, bleicher als eine Wand. „Lassen Sie mich los!“
„Nach dem Tanz“, fing sich Dylan wieder. Nochmal würde sie ihn nicht an der Nase herumführen. „Und behaupten Sie nicht, Sie könnten nicht tanzen. Ich habe gesehen, dass Sie’s können.“
Grace stolperte einen Schritt nach hinten, als er ungefragt die Führung übernahm. Sie schien aufhören zu atmen. Wie eine steife Vogelscheuche hing sie in seinen Armen und er kam nicht umhin sich zu fragen, was zum Geier los war mit dieser Frau. War er es in ihren Augen etwa nicht wert, mit ihm zu tanzen?
„Lassen Sie mich los.“ Grace Stimme war so dünn, dass er sie kaum wahrnahm und als er es schließlich tat, hatte sie bereits ihren Hand aus seinem Griff befreit und stürzte Hals über Kopf davon, rempelte zwei ältere Pärchen auf ihrem Weg an und strauchelte noch einmal, ehe Dylan sie aus dem Blick verlor.

 

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Grace bekam keine Luft mehr. Die Panik ließ sie hyperventilieren, während sie blind hinaus in den Flur stürmte. Dylans Worte spukten ihr im Kopf herum und mischten sich mit denen Marcus. Seine Eisaugen, sein Griff, seine Muskeln, alles verschmolz zu einer einzigen Masse aus schrecklichen Erinnerungen.
Sie kam erst auf den Treppen vor dem alten Theater zum Stehen, in dem die Charity- Veranstaltung stattfand. Ihre Beine waren Gummi, während in ihrem Kopf die Vergangenheit wieder lebendig wurde.
Sie ließ sich auf die Stufen sinken und schlang die Arme schützend um sich.

 


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Eliza Hill