Kapitel 3
Graces Großmutter Blanche hatte gewisse Ansprüche, wenn man als Besuch auf ihrer Türschwelle auftauchte. Nicht nur musste man ausgesprochen guter Laune sein, auch sollte der vorstellige Gast adrett gekleidet und mit einem Blumenstrauß bewaffnet sein. Leider hatte Grace nicht die Zeit gehabt um sich in Schale zu werfen, weil sie an diesem Samstagmorgen verschlafen hatte und auch ihre Stimmung war aus diesem Grund nicht berauschend, weshalb all ihre Hoffnung nun auf dem Grünzeug in ihren Händen lagen.
„Da bist du ja, Kindchen! Ich wollte schon eine Suchmeldung aufgeben!“ Blanche Goodwin war tadellos gekleidet. Die über die Jahre fülliger gewordene Form ihres Körpers umspielte ein türkisfarbener Kaftan, unter dem eine weiße Caprihose hervorragte. Dazu trug sie flache Sandalen, die den Blick auf ihre knallroten Fußnägel lenkten, passend zu ihrem gefärbten Haar. Die blauen Augen hatte sie gekonnt geschminkt und die papierdünne Haut hatte sie an den Wangen mit etwas Rouge betont.
„Hallo Gran.“
„Wie siehst du denn aus? Ist das etwa ein Bikini, den du da unter deinem Top trägst? Also bitte, Grace. Was soll Dylan Nite denken! “ Die Augen ihrer Großmutter verengten sich zu Schlitzen. „Ist das irgendeine dieser grässlichen neuen Moden, oder willst du nur auffallen.“
Wenn Grace ehrlich war, war es das erste Outfit, dass ihr heute Morgen in die Hände gefallen war, doch das vor ihrer modebewussten Großmutter einzugestehen, dazu hatte sie keine Lust.
„Das ist gerade Mode.“
„Hm.“ Blanche nahm den bunten Strauß entgegen, als ob sie sich dazu überwinden musste. „Du weißt, ich mag keine Nelken.“
Grace gab einen leisen Fluch von sich. Sie wusste, sie hatte irgendetwas nicht bedacht.
„Ich kann sie raus machen, aber ich fand sie nett.“
„Lass gut sein.“ Blanche hauchte ihrer Enkelin einen Kuss auf die Wange. „Ich habe frischen Eistee gemacht. Möchtest du ein Glas?“
„Danke, gern.“ In Blanches Eistee konnte man einem Löffel zum Stehen bringen, doch nach siebenundzwanzig Jahren war sie immun gegen den Zuckerschock, den jeden anderen nach einem Glas davon ereilen würde.
„Dann komm schon rein und steh da nicht herum wie eine Fremde!“ Sie wurde ins Innere des Hauses geschoben.
Im Haus roch es nach Yasmin und Blanches liebstem Parfüme, dessen Kopfnote aus wohligem Sandelholz bestand. Blanches Haus war vollgestopft mit glücklichen Kindheitserinnerungen. Ihre Brüder und sie waren hier ein und aus gegangen so lange sie denken konnte.
In ihrem Kopf würde ihr Großvater für immer auf seiner Bank im Garten sitzen und mit seinen Nachbarn diskutieren.
„Ich hoffe du magst deine Hähnchenbrust gut durch. Ich warte schon seit einer halben Stunde auf dich.“
„Du meinst, sie ist verbrannt?“
„In meinem ganzen Leben habe ich noch nie etwas anbrennen lassen. Da werde ich jetzt nicht damit anfangen.“ Blanche gab ihr einen Klaps gegen die Schulter, während sie sich in Richtung Küche schob. „Das weißt du ganz genau, Kind.“
„Weiß ich doch. Du bist die beste Köchin die ich kenne, Gran.“ Sie angelte ich ein Stückchen Gurke vom bereits angerichteten Salat, dem noch das Dressing fehlte.
„Und du wirst feststellen, dass ich noch sehr viel bessere Augen habe.“ Sie funkelte sie herausfordernd an und Grace wagte nicht zu widersprechen.
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Dylan rann der Schweiß über die Schultern, während er die Nägel in die Zaunlatte trieb. Die drückende Schwüle dieses Sommertags war kaum auszuhalten, obwohl er es sich im Schatten des großen Ahorns begeben hatte, der im Vorgarten des Altenheims verwurzelt war. Er mochte körperliche Arbeit. Sie hatte etwas Meditatives, aber hier draußen zu sein und sich die Hände dreckig zu machen war etwas anderes wie Gewichte im Kraftraum zu stemmen. Das hier war besser.
Es war heiß, die Arbeit war einfach und absolut niemand störte ihn. Er fühlte sich blendend. Ein paar Leute, die ihre Angehörigen besuchten, passierten ihn, doch ansonsten war keine Menschenseele zu sehen. Was gut war. Vor zwei Tagen hatte er eine höchst seltsame Begegnung mit einer alten Dame, die ihn angestarrt hatte, als wüsste sie genau wen sie vor sich hatte, ehe sie beschwingten Schrittes davon gegangen war.
Die Hitze ließ den Asphalt flirren und er griff nach seiner Wasserflasche, die schon wieder fast leer war. Er nahm einen großen Schluck und wischte sich über die Stirn. Wenn er in knapp einem Monat wieder ins Trainingslager fahren würde, so war er top fit. Wer hätte gedacht, dass Sozialstunden auch für etwas gut waren.
Er wollte sich gerade wieder dem weißen Zaun zuwenden, dessen morsche Latten er austauschte, als ihn das laute Quietschen von Bremsen aufsehen ließ.
Der Crysler, der den lauten Klagelaut angestimmt hatte, rollte auf den Parkplatz der Einrichtung und er konnte die alte Dame, die ihn so seltsam angestiert hatte, dahinter entdecken. Aber das war es nicht, was seinen Blick fesselte.
Sie war eine Wucht.
Das war das erste, das ihm durch den Kopf schoss, als sie aus dem Auto krabbelte. Unter ihren kurzen Shorts, die ihre Beine sehr viel länger wirken ließen, als sie tatsächlich waren, zeichnete sich der perfekteste Hintern ab, den er je gesehen hatte und ihre Brüste waren ebenfalls nicht von schlechten Eltern. Ihr langes schwarzes Haar hatte sie zu einem losen Pferdeschwanz zusammengebunden, der ihre Mähne kaum zu bändigen wusste.
Selbst in Dylans großer Welt, hatte er eine Frau wie sie noch nicht oft gesehen. Sie war alles was sich ein Kerl zwischen seinen Laken wünschen konnte und er hätte nichts dagegen gehabt sie einfach zu packen und in den kleinen Schuppen hinten im Garten zu schleifen, um sie zu vernaschen.
Ihre Augen fanden seinen Blick und er fragte sich, ob sie seine Gedanken erraten hatte. Ihre Lippen formten einen perfekten Schmollmund und jagten Dylan heiße Schauer in die Lendengegend. Sie würde sich bestens in seinem Schlafzimmer machen.
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„Er hat Ähnlichkeit mit ihm, das gebe ich zu.“ Grace hielt sich eine Hand über die Augen und stemmte die andere in die Seite.
Grace wünschte sich ihre Brille her, die sie aus Bequemlichkeitsgründen in ihrem Auto liegen gelassen hatte. Ihre Kurzsichtigkeit war jetzt wirklich ein Problem.
„Das ist er. Ich sag dir, das ist er.“ Die Stimme ihrer Großmutter wehte zu ihr herüber, während sie sich neben ihrer Brille das Bild aus ihrem Computer her wünschte um den fraglichen Mann, der da in seinem verschwitzten Muskelshirt und den ausgebeulten Jeans auf dem ausgedörrten Rasen stand, zweifelsfrei zu identifizieren.
Sie kniff die Augen zusammen, um ihre schlechte Sicht ein wenig zu schärfen. Grace gab es ungern zu, aber sie beschlich langsam der Verdacht, dass ihre Grandma recht haben könnte, je länger sie ihn so ansah. Er schien sie ebenfalls entdeckt zu haben, denn er starrte definitiv in ihre Richtung.
„Jetzt geh schon zu ihm! Aber ich sag dir, das ist er!“ Blanche gab ihr einen Schubs, wie einem Jagdhund, dem man auf die Sprünge helfen musste.
„Ja doch.“ Grace fuhr sich durch ihr dickes Haar. „Ich seh‘ ihn mir ja schon an.“