Kapitel 2


Dylan hatte eine grobe Ahnung davon welches Bild er abgeben musste, als er in Richtung Eingang des Altenheims stiefelte. In seinen ausgewaschenen Jeans und dem schlecht sitzenden Shirt sah er wahrscheinlich aus, als hätte er sich die Klamotten von seinem großen Bruder geliehen. Ein Effekt den er zwar beabsichtigt hatte, dessen Tragekomfort allerdings sehr zu wünschen übrig ließ. Solche miesen Shirts hatte er nicht mal in seiner Jugend getragen, ehe er den Football für sich entdeckt hatte und von einer Pflegefamilie zur nächsten gereicht wurde
„So ein Dreck.“ Dylan zerrte am Kragen des Shirts. Ihm gefiel der Plan icognito seine Stunden abzuarbeiten schon jetzt nicht mehr, dabei hatte sich die Idee seines Agenten nur seinen Betreuer über seine Identität zu informieren so vielversprechend angehört. Der Bund seines Shirts drückte gegen seine Kehle, während er sich an seine Hintergrundgeschichte zu erinnern versuchte, die er sich gestern ausgedacht hatte. Dylan Riley hatte ein Auto geklaut. Er war verhaftet worden. Er arbeitete auf dem Bau und lebte von seiner Exfrau getrennt, die ihn betrogen hatte. Den Teil seines gefaketen Lebenslaufs fand er am besten, denn irgendwie war es die Wahrheit. Seine Ex hatte ihn betrogen. Sie hatte sein Privatleben der Presse zum Fraß vorgeworfen und das würde er diesem Biest nie verzeihen. Es ging die Welt einen Scheißdreck an, ob er des Nachts vor Alpträumen nicht schlafen konnte und ob er zuweilen über die Stränge schlug.
Dylan zwang sich die Finger von seinem Kragen zu lassen, als er durch die Eingangstür des Heimes trat. Mit seinem fünf Tagesbart war er nicht zu erkennen, einzig seine stahlblauen Augen würden ihn vielleicht verraten, aber er hatte nicht vor jemandem lange genug in die Augen zu sehen, um in die Verlegenheit zu kommen entdeckt zu werden.
Er wandte sich nach links in Richtung des Empfangstresens, hinter dem eine Frau in den Vierzigern saß. Das mit Stresspusteln bedeckte Gesicht zeigte einen Ausdruck des Entsetzens, als sie ihn entdeckte und Dylan nahm es mit einer gewissen Befriedigung wahr. So hatte er sich das vorgestellt. Dylan Riley würde keinerlei Probleme haben seine zweihundertfünfzig Stunden ungestört hinter sich zu bringen.
„Ich suche Mr. Vasquez. Ich bin wegen meiner Sozialstunden hier.“
„Ich hole ihn.“ Die Empfangsdame beeilte sich reiß aus zu nehmen und Dylan zog die Nase kraus. Hier drin stank es wiederlich nach Alter und Desinfektionsmittel.  Er ließ seinen Ellbogen auf den Tresen sinken und schob seinen Zeigefinger in den Kragen seines Shirts. Dieses Ding machte ihn wahnsinnig.

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Grace ließ sich mit einem frustrierten Schnauben zurück in ihren Schreibtischstuhl sinken. Dylan Nite war schwerer zu erreichen als die Queen. Sie starrte das Bild des Quarterbacks an, das sie aus dem Internet geklaubt hatte und auf dem er ganz besonders finster dreinblickte. Wieso mussten Arschlöcher eigentlich immer wie Götter aussehen? Mit seinen stahlblauen Augen und seinen dunkelblonden Haaren, fiel Dylan Nite definitiv in die Kategorie Eye Candy. Großgewachsen und muskulös, mit einem verwegenen Lächeln und einem rebellischen Blick war er alles, was eine Frau von genau diesem Typ Mann erwartete. Mit dem QB der Wolves würde Frau genau eine Nacht ihren Spaß haben. Mehr nicht. Mit Männern wie ihm gab es niemals mehr.
Grace schlug die Beine übereinander und schob sich ihren Bleistift hinters Ohr, mit dem sie ihre bisherigen Notizen zu Papier gebracht hatte. Im Grunde genommen hatte sie mehr als genug, um ihren Artikel zu schreiben, ohne diesen Mann überhaupt begegnet zu sein. Ihre Leserinnen wären zufrieden. Doch leider schrieb sie nicht für ihre Leserinnen. Bei diesem Artikel schrieb sie für das Hauseigene Sportmagazin und das Interview war ein wesentlicher Bestandteil ihrer Wette mit Ed.
Seit zwei Wochen schob sie ihre verlorene Wette nun schon vor sich her und Ed, der ihren Artikel in der nächsten Ausgabe verwenden wollte, wurde langsam unruhig.
Das Telefon klingelte, doch Grace ignorierte es, während sie Gesicht Dylan Nites auf dem Bildschirm fixierte. Wo steckte der Kerl?
„Grace? Willst du nicht ran gehen?“ Monica, eine ihrer Kolleginnen, mit der sie sich das Büro teilte, streckte den Kopf über die Trennwand ihres Arbeitsplatzes.
„Ich muss nachdenken.“ Sie schob ihre Finger unter ihr Kinn.
„Es ist deine Grandma.“ Ihre Kollegin nickte in Richtung Display und riss sie so aus ihrem Gedankenfluss.
„Oh.“ Grace Magen fiel ein paar Stockwerke tiefer. Normalerweise rief ihre Großmutter, die gut fünfzig Meilen außerhalb Phillys residierte, nur am Wochenende an. Niemals auf der Arbeit.
Sie war schneller am Hörer, als sie denken konnte. „Grandma? Bist du okay?“
„Ich habe deinen Nite gefunden.“ Die Stimme ihrer Großmutter klang aufgeregt. „Ich hab‘ heute Clarence besucht und da war er!“
„Gran, das bildest du dir ein.“ Grace Herzschlag beruhigte sich langsam wieder. Ihrer Grandma ging es gut, einmal abgesehen davon, dass ihre Fantasie mal wieder mit ihr durchging. Ihre Grandma bildete sich ständig ein irgendwelche Berühmtheiten auf der Straße zu entdecken. Meistens hatten die Leute noch nicht Mal grobe Ähnlichkeit mit den Prominieten, die sie zu erkennen glaubte.
„Gracie. Ich mag nicht immer richtig liegen, wenn’s um Schauspieler geht. Aber ich werde wohl noch den Quarterback meines Footballteams erkennen! Seit vierzig Jahren bin ich Fan der Wolves. Ich kenne jeden Spieler und ich sag dir, Dylan Nite arbeitet bei uns im Altenheim!“ Ihre letzten Worte waren eher ein Knurren und Grace wusste, dass sie gut daran tat zumindest so zu tun, als glaube sie den Hirngespinsten ihrer Großmutter.
„Das mag ja sein, dass einer der Pfleger ein wenig-“
„Komm vorbei und sieh selbst, wenn du mir nicht glaubst!“
„Gran.“ Sie rieb sich über die Stirn. „Ich muss arbeiten. Ich kann dich nicht besuchen.“
„Pappalapapp. Es ist Freitagnachmittag. Morgen musst du nicht arbeiten. Ich weiß ganz genau, dass du morgen mit deiner Mutter verabredet bist. Du kommst hierher. Ich zeig ihn dir!“
Manchmal hasste sie es, dass ihre Familie ständig aufeinanderhing. Wieso konnten sie nicht auch wie normale Leute Wochenlang nicht miteinander reden. In anderen Familien wusste man auch nicht, was der andere trieb.
„Gran-“
„Ich koche. Danach besuchen wir Onkel Clarence. Dann wirst du schon sehen!“ Damit legte sie auf und ließ Grace sprachlos zurück. Ihre Grandma hatte sie mal wieder überrannt.
„Alles in Ordnung, Grace?“
„Nein. Der Wahnsinn in meiner Familie greift um sich.“ Sie betrachtete ihre Shorts, auf denen der Kaffeefleck prangte, seit sie heute Morgen ihr Frühstück zu sich genommen hatte. Schon da hätte sie wissen müssen, dass der weitere Verlauf dieses Freitags nichts Gutes für sie bereit halten würde. „Sieht aus, als müsste ich morgen zu Blanche fahren.“
„Du besuchst deine Grandma? Das ist aber nett.“
„Ja.“ Grace zuckte mit den Schultern. „Ob ich will oder nicht. Sonst bekomme ich das noch in zwei Jahren zu hören.“


 

 

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Eliza Hill