Kapitel 8
Grace gab ein Seufzen von sich, als sie den großen Früchtekorb auf ihrem Schreibtisch entdeckte. „Was ist das denn?“
„Der ist von Ed. Er sagte, ich solle dir sagen, er wollte noch vor dir auf die Knie sinken und dich huldigen, aber leider musste er weiter.“ Monica rührte in ihrer Kaffeetasse, ehe sie mit dem Löffel auf das ausladend aufgebauschte Zellophan deutete. „Du sollst dir die Karte durchlesen, wenn du’s mir nicht glaubst.“ Ihre Kollegin stemmte einen Ellbogen auf die Trennwand ihres Arbeitsplatzes, um sie besser im Blick zu haben.
Grace schob ihre rote Strickjacke nach oben. „Dieses Monstrum ist von Ed?“
„Jepp.“ Monica schob sich eine lange Strähne ihres feinen blonden Haares hinters Ohr. „Er sagt dein Interview ist das Highlight ihrer Ausgabe.“
„Das sagte er schon am Telefon. Ich wusste nicht, dass er das ernst gemeint hat.“ Sie pflückte den weißen Briefumschlag aus der Dekoration und nahm die Karte heraus, die einen Frosch zeigte, der einen Football in der Hand hielt.
„Ugh“, kommentierte ihre Kollegin die Karte. „Hoffentlich ist das Lob besser, wie die Verpackung.“ In ihrem kurzen pinkfarbenen Rock und der weich fallenden halbtranspartenen Bluse, die ihren sportlichen Körper in Szene setzte, hätte Monica ebenso gut auf dem Weg zu einem Casting sein können. „Was für ein scheußliches Ding.“
Grace fand es ganz niedlich. Es war typisch Ed. Ed hatte nun mal keinen Geschmack, aber seine Geschenke kamen meistens von Herzen.
Gracie,
Ich könnte dich knutschen! Dein Artikel ist der Hammer!
Ich ruf dich nachher an. Wir müssen dringend etwas besprechen!
Dein Ed
Grace hatte schon viele Karten bekommen. Aber keine wie diese und sie reichte sie stillschweigend an Monica. Ihre Kollegin gab ein Kichern von sich. „Das ist ja süß!“
„Ich bin einfach nur froh, dass mein Wetteinsatz beglichen ist. Der Rest ist mir egal.“ Grace rümpfte die Nase, als sie den Haufen Physalis entdeckte, der den Platz zwischen Ananas und Mangos einnahm. „Er hätte mir nicht dieses Ding schicken müssen.“
„Ich wette Ed wird dich um ein Date bitten.“ Monica gab ihr die Grußkarte zurück.
„So ein Unsinn.“ Grace gab ein Schnauben von sich. „Ed ist hinter Therese her, das weiß jeder.“
„Vielleicht hat er sich endlich Augen in den Kopf wachsen lassen.“
„Monica!“
„Was? Therese ist hübsch. Das bestreite ich ja gar nicht.“ Ihre Kollegin hob abwehrend ihren Arm und verschüttete dabei beinahe ihren Kaffee. „Aber du gehst jetzt schon seit Jahren unbemannt durchs Leben. Du!“ Sie musterte Graces rosa Shorts vorwurfsvoll, die sie zu einer weißen Businessbluse kombiniert hatte.
„Ich brauche nichts … Festes.“ Grace Arme überzogen sich mit einer Gänsehaut. In den letzten Jahren hatte sie keinerlei Bedürfnis gehabt einem Kerl auch nur ansatzweise näher zu kommen und die paar Dates, auf die sie gegangen war, waren hauptsächlich das Werk ihrer Mutter und das ihrer besten Freundin April.
„Nur Sex, mh?“ Monicas Blick huschte über sie, als würde sie abwägen, ob Grace eher der Typ für abgefahrene Fesselspielchen war oder für einen Quickie in der Abstellkammer. Das Grace allein bei der Vorstellung einen Kerl nochmal so nahe an sich ran zu lassen, der kalte Schweiß ausbrach, verschwieg sie wohlweislich.
„Nur ein bisschen Sex.“ Sie gab sich alle Mühe locker zu klingen. „Nichts allzu Verrücktes.“
„Grace! Monica! Schon wieder auf Männerfang?“ Ihre Chefredakteurin Susan stand plötzlich hinter ihnen und die beiden fuhren erschrocken herum, nur um festzustellen, dass Susan nicht allein war. Sie wurde von Martin Palmer begleitet, dem Verlagschef von Kurtz & Bertram.
„Sind wir nicht. Tag, Mr. Palmer“, riss sich Grace als erste wiederzusammen. Den Big Boss im Haus zu haben bedeutete meistens Ärger.
„Martin, das ist die Dame die du suchst. Unsere Grace Goodwin“, stellte Susan sie sie einander vor und klang alles andere als tadelnd. „Mr. Palmer ist hier, weil er dir zu deinem Interview gratulieren will.“
Ihr Verlagschef schüttelte ihr die Hand. „Großartige Arbeit, Miss Goodwin. Ich habe gehört, dieses Interview ist aus einer Wette hervorgegangen. Großartig. Einfach großartig!“
Grace war ein wenig benommen, als der enthusiastische Mr. Palmer sie endlich losließ.
„Danke.“
„Ihre Idee einer Gründung einer Interessensgruppe über die Redaktionsgrenzen hinaus, einfach fabelhaft.“ Mr. Palmers Schnauzer zuckte vergnügt. „Das sollten sie fortführen! Wer hätte gedacht, dass sich in unserem Lifestyle Magazin eine verkappte Sportreporterin versteckt hält!“
Susan nickte bestätigend, während Grace den klein gewachsenen Mann vor sich betrachtete, der sich gar nicht mehr ein zubekommen schien.
„Wer hätte gedacht, dass Dylan Nite reden kann! Die Jungs von Daedalus jedenfalls nicht! Ebenso wenig wie sein Team!“
„Ja.“ Grace war die Begeisterung für dieses Interview etwas unheimlich.
„Sie sollten das fortführen! Ich habe gerade mit ihrer Redakteurin gesprochen, Miss Goodwin, ach … ich nenne sie jetzt einfach Grace. Susan wäre einverstanden, sie in den nächsten Wochen mit den Jungs zu teilen, wenn auch ein paar Artikel für Offstage dabei rausspringen!“
Grace hatte das Bedürfnis sich hinzusetzen. Was hatte sie nur angerichtet?
°°°
„Du beschließt also endlich vernünftig zu werden, ohne mir vorher Bescheid zu geben.“ Sein Agent knallte ihm die neueste Ausgabe des Daedalus auf den Tisch.
„Hab ich das?“ Dylan sah von seinem Abendessen auf und seine Teamkameraden Jensen und Qendrim gaben ein amüsiertes Grunzen von sich, mit denen er beim Nobelitaliener saß.
„Wie’s scheint.“ Sein Agent ließ sich auf den freien Platz an ihrem vollgestellten Vierertisch sinken. „Ein schönes Interview. Wirkt fast so, als hättest du’s ernst genommen.“
„Ich hab’s auf dem Laufband gegeben.“
Seine Freunde würdigten den Spruch mit einem Grinsen und Dylan lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Für dieses Interview mit Grace hatte er bisher nichts als Lob bekommen, seit es vor zwei Tagen erschienen war. Nur sein Agent hatte sich bis heute Zeit gelassen ihm seine Aufwartung zu machen. Ein sicheres Anzeichen dafür, dass er beleidigt war.
„Das habe ich gelesen.“
Er schob sich eine weitere Olive zwischen die Zähne, während Balthasar Tenn ihn aus seinen dunklen Augen musterte.
„Die Kleine hat mich bei meinen Sozialstunden abgefangen und gedroht mich auffliegen zu lassen, wenn ich ihr kein Interview gebe“, fühlte er sich genötigt zuzugeben. Er hasste es, wenn Balthasar stinkig auf ihn war. Immerhin war er das nächste, was er an Familie hatte.
„Das hättest du mir sagen können.“ Balthasar verzog den Mund zu einem halbherzigen Lächeln, das ihm verriet, dass ihm diese Ausrede nicht genügte.
„Du hattest Wochenende. Außerdem wenn du sie gesehen hättest, hättest du mir auch dringend geraten, dieses Interview zu machen.“ Dylan zeichnete Graces Sanduhrenfigur mit den Händen in die Luft. „Sie war heiß.“
Jensen ließ ein leises Pfeifen hören. „Die dürfte mich auch mal interviewen. Am besten nackt.“
Balthasar knirschte mit den Zähnen. „Hast du mit ihr geschlafen?“
„Ich bin nicht total beschränkt.“ Er unterstellte ihm dauernd so an Wahnsinn grenzende Dinge, nur weil er in der Vergangenheit ein oder zwei Mal über die Stränge geschlagen war. Balthasar müsste es eigentlich besser wissen.
„Gut.“ Die grauen Schläfen seines untersetzten Agenten fingen das Licht der Deckenbeleuchtung ein. „Dann wird es ja keine Probleme geben, wenn du deine kleine Reporterin in nächster Zeit etwas häufiger siehst.“
Dylan starre seinen überbezahlten Agenten überfordert an. „Von was redest du da?“
„Nun, Jensen kann sich schon mal seinen Körper in Form bringen, wenn er darauf bestehen sollte, der Frau sein Interview nackt zu geben, denn euer Team hat sie eingeladen eine ganze Serie über euch zu schreiben. Interviews, Homestories, alles was ihr euch schon immer gewünscht habt!“ Sein Agent klopfte ihm auf die Schulter, während seinen beiden Freunden das Lachen aus dem Gesicht fiel.
Deine Geschichte gefällt mir super gut! Finde es schade, dass du heute nichts Neues gepostet hast 🙁
habe wieder von anfang an bis hier hin alles gelesen… ist einfach super!
freue mich schon wenn es weiter geht;)