Kapitel 1
„Gracie! Wie schön dich zu sehen!“ Ed aus dem Sportressort winkte ihr übermütig von seinem Platz in der Ecke der Bar zu.
„Hallo“, grüßte Grace ihren enthusiastischen Kollegen freundlich, der mit ein paar seiner Kollegen bei einem Bier zusammensaß. „Gibt’s schon etwas Neues?“ Sobald sie diese dumme Wette gegen den Sportreporter gewonnen hätte, würde sie wieder wesentlich ruhiger schlafen.
„Nein. Liegt noch in den Wehen.“
In einem Anfall geistiger Umnachtung hatte Grace mit Ed eine ziemlich blöde Wette über das Geschlecht des Babies ihrer Kollegin Madison abgeschlossen, deren Wetteinsatz ihr im Nachhinein die Haare zu Berge stehen ließ.
„Wir machen das wirklich?“
„Gekniffen wird nicht.“ Ed nippte an seinem Bier. „Wenn du gewinnst, schreibe ich einen Artikel über die Hochzeit dieser möchtegern Prinzessin aus Malibu Beach. Wenn ich gewinne schreibst du den Artikel mit Interview über Dylan Nite.“
Grace gab ein tiefes Seufzen von sich. Nie wieder würde sie sich an einer Weihnachtsfeier betrinken. Nicht einmal wenn ihr Leben davon abhängen sollte. Sie hatte keine Ahnung von Football, aber Dylan Nites Verhältnis zu Reportern war selbst ihr zu Ohren gekommen.
„Ich hab‘ ein gutes Gefühl, dass es ein Mädchen wird, Gracie.“ Ed lehnte sich in seinem Stuhl zurück und griff in das Körbchen mit den Chickenwings. „Ein verdammt Gutes. Du suchst dir besser schon einmal einen Bodyguard.“
„Das wird nicht nötig sein.“ Grace versuchte gute Miene zum bösen Spiel zu machen. „Weil ich gewinnen werde. Es wird ein Junge.“ An die Möglichkeit dass Madison keinen Jungen zur Welt brachte, wollte sie gar nicht erst denken. Dylan Nite war von seinem Team suspendiert worden, weil er einen Verleger Krankenhausreif geprügelt hatte und das Gerichtsurteil stand noch aus. Sie hatte bestimmt keine Lust das nächste Opfer dieses Irren zu werden.
„Wir werden sehen. Setz dich, Gracie. In ein paar Minuten wissen wir wer gewonnen hat.“
„Redest du vom Football oder unserer Wette?“
„Beides.“ Ed wischte die Hände an der Serviette ab, ehe er auf den leeren Stuhl neben sich klopfte. „Max wollte uns anrufen, sobald Madison entbunden hat.“
Er hielt inne, als sein Telefon zu lärmen begann. „Wenn man vom Teufel spricht!“ Ed griff beherzt nach dem Handy. „Daumen drücken, Gracie. Jetzt wissen wir gleich, wer von uns die Ehre hat!“
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Dylan zerrte an seiner Krawatte. Zweihundertfünfzig Stunden gemeinnützige Arbeit und ein Jahr auf Bewährung. Dafür, dass er Neven MacDonald auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hatte.
Das war absolut unerhört!
Sein Anwalt hatte ihm einen Freispruch versprochen, wegen der Vorgeschichte, die Neven und ihn verband. Und nun war er vorbestraft! Wegen diesem elendigen Scheißkerl.
Die Bodyguards um ihn herum versuchten ihn so gut wie möglich von den aufdringlichen Papparazzi abzuschirmen, doch das Blitzlichtgewitter wollte kein Ende nehmen.
„Habt ihr nichts Besseres zu tun? Weg da!“ Er hatte keinen Nerv für die Fotografen, deren Bilder Morgen früh die Zeitungen fluten würden und in ein paar Minuten bereits das Internet.
„Was sagen Sie zu dem Urteil, Dylan?“
„Lauf weiter.“ Sein Agent schob in weiter in Richtung Auto. „Sag nichts und lauf einfach weiter.“
Dylans Finger fanden seine Sonnenbrille. Er kannte all die Drohungen, die im Raum standen. Suspendierung auf unbestimmte Zeit. Nicht mehr spielen. Ein Ende der lukrativen Werbeverträge. Trotzdem konnte er sich den Stinkefinder in Richtung der Aasgeier nicht verkneifen, als er endlich das Auto erreicht hatte.
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Grace versuchte noch immer zu verstehen, was sie in ihrem früheren Leben falsch gemacht hatte, um mit diesem Karma bestraft zu werden, als sie zwei Stunden später die Autotür hinter sich zuschlug. Ein Mädchen. Ein knapp sechs Pfund schweres Mädchen hatte ihr Schicksal besiegelt. Sie war am Arsch. Ein Artikel über Dylan Nite zu schreiben und diesen Wahnsinnigen auch noch zu interviewen, daran waren schon ganz andere Reporter gescheitert. Und nun durfte sie, eine Lifestylekolumnistin, Kopf und Kragen riskieren, nur weil Ed sie zu dieser dummen Wette überredet hatte.
Sie zog ihren Schlüssel aus dem Blumenkübel hervor und versuchte ruhig zu bleiben. Sie hatte schon launische Hollywoodstars interviewt. Sie hatte Wettbewerbe für Schönheitsköniginnen überstanden und zwei ältere Brüder. Objektiv gesehen war sie gewappnet, gegen alles und jeden. Zumindest hoffte sie das.